„Eines der bedeutendsten, gewaltigsten und auch schönsten Projekte der Nachkriegszeit“ (Christoph Schröder, Die Zeit)
„Kurzeck schreibt keine Welterklärungsliteratur, aber er sagt viel darüber, wie sich Orte verändern und zu Nichtorten werden. Ein wahnsinniger Schriftsteller“ (Dirk von Lowtzow, Tocotronic, Die Welt)
Peter Kurzeck war einer der markantesten und eigenwilligsten Autoren der Gegenwart. Mit drei Jahren gelangt er als Flüchtlingskind nach Staufenberg bei Gießen. Staufenberg, das „Dorf auf dem Basaltfelsen“, wie es in seinen Büchern wiederholt genannt wird, hat er später in enzyklopädischer Detailfülle beschrieben. Doch Kurzeck ist kein Chronist, der lediglich die Geschichte seiner hessischen Heimat nachzeichnet: Vielmehr erzählt er am Beispiel Staufenbergs und seiner späteren Lebensorte in assoziativen Erinnerungsschleifen die westdeutschen Nachkriegsjahrzehnte: Seine Texte schildern Schwarzmarktzeit und Tauschhandel, kleine Dorfläden wie große Malls, Umgehungsstraßen und alte Landstraßen, entstehende Neubau- und wegsanierte Altbauviertel, die Zersiedelung der Landschaft, Trümmergrundstücke und Trimm-Dich-Pfade, Kinder, Arbeiter, Alte, Sonderlinge, Vertreter, amerikanische GIs, Nachkriegsgewinnler wie vermeintlich Gescheiterte. Eine Art Credo von Kurzecks Schreiben ist es hierbei „jeden Menschen so wichtig zu nehmen wie mich selbst.“
Wie Staufenberg hat auch jeder von Kurzecks späteren Lebensorten (zuvorderst Frankfurt am Main aber auch Gießen und Frankreich) tiefe Spuren in seinem Werk hinterlassen, wie überhaupt die eigene Biografie stets Zentrum von Kurzecks Schreiben war: Nachdem Kurzeck lange Jahre für die Schublade geschrieben und parallel gemalt hatte, erscheint 1979 im Verlag Strœmfeld/Roter Stern (wie in der Folge zu Lebzeiten alle seine Bücher) sein Debütroman Der Nußbaum gegenüber vom Laden, in dem du dein Brot kaufst. Weitere Romane folgten, ab 1997 erscheint sukzessive dann Kurzecks auf zwölf Bände angelegtes Hauptwerk Das alte Jahrhundert, in dem nun sein Leben im Frankfurt am Main der 1980er Jahre im Zentrum steht.
Nachdem Kurzeck bis in die Nullerjahre eher ein literarischer Geheimtipp war, sicherte ihm das Hörbuch Ein Sommer, der bleibt, in dem er ohne Textvorlage frei erzählte, eine späte Popularität. Weitere dieser sogenannten akustischen Werke folgten, ebenso wie 2011 der letzte zu Lebzeiten veröffentlichte und zugleich umfangreichste Roman Vorabend, in dem nahezu alle Werkthemen noch einmal aufgegriffen werden: Vorabend erzählt ‚die ganze Gegend, die Zeit!‘ Kurzeck starb 2013 in Frankfurt am Main. Seit 2019 erscheint das Werk von Peter Kurzeck bei Schöffling.
„Solche Tage, sagte ich, die gibt es. Als ob man den Atem anhält. Alles leuchtet. So hell, so weit und so still ist die Welt und wieder so einfach wie in deiner Kindheit. Jedes Ding in seiner eigenen unverwechselbaren Gestalt. Als ob du alles wie zum erstenmal siehst. Und doch jeden Augenblick, jeden einzelnen Augenblick wiedererkennst. Gerade wenn man länger nicht da war, sagte ich. Dann muß man im Dorf herum und durchs ganze Dorf. Muß sehen, ob alles noch da ist und muß jedes Ding ansehen. Und muß sehen, ob die Steine, die Tiere und Menschen und Dinge einen noch kennen.“ (Vorabend, 484)